Mehr Überwachung in Großbritannien

In Großbritannien wird die staatliche Überwachung weiter ausgebaut: In der vergangenen Woche verabschiedete das britische Parlament die Investigatory Powers Bill, auf Deutsch etwa „Ermittlungsbefugnisgesetz“. Die Gesetzesänderung weitet die Überwachungsrechte der britischen Geheimdienste, aber auch der britischen Polizei, massiv aus. Kritiker nennen die Gesetzesänderung „Snoopers‘ Charter“ (etwa „Bespitzelungsgesetz“) und bezeichnen das Gesetz als „eines der extremsten Überwachungsgesetze, das je in einer Demokratie verabschiedet wurde“.[1]

Mit der Lizenz zum Hacken

Regionale und nationale Polizei sowie Geheimdienste dürfen nach Inkrafttreten des Gesetzes Computer aller Art hacken und manipulieren.[2] Lediglich Parlamentarier, Journalisten und Ärzte genießen einen etwas höheren Schutz. Das Gesetz erlaubt selbst großflächige Manipulation von technischer Infrastruktur, wenn auch nur im Falle der Kommunikation mit Personen im Ausland.

Vorratsdatenspeicherung auf Englisch

Das Gesetz verpflichtet alle Internetprovider Großbritanniens, „Internetverbindungsdaten“ für ein Jahr zu speichern. Dieser Begriff ist sehr weit gefasst und umfasst sämtliche Metadaten („Wer hat wann mit wem wie kommuniziert?“). Auf diese gespeicherten Daten können Geheimdienste, aber auch Polizei-, Steuer- oder Zollbehörden ohne eine bestimmte Genehmigung zugreifen[3]. Dabei fällt die Liste der zulässigen Beweggründe für einen Zugriff sehr umfangreich aus. Auch Schwammklauseln wie „öffentliche Sicherheit“ oder „nationale Sicherheit“ finden sich darin. [4]

Big Data

Geheimdienste erhalten die spezielle Befugnis, öffentliche und private Datenbanken zu analysieren und daraus neue Datenbanken zu bilden. Der Gesetzestext erwähnt dabei explizit, dass von diesen Überwachungsmaßnahmen auch unbescholtene Bürger betroffen sind.[5]

Das Leben der anderen Briten

Polizei und Geheimdienste erhalten die gesetzliche Erlaubnis, gezielt Kommunikation abzuhören. Es gelten ähnliche Vorschriften wie beim Hacken durch die Behörden. Bei schwerwiegenden Straftaten oder Fällen von nationalem Interesse ist auch das massenhafte Abhören erlaubt. Einzige Bedingung ist, dass sich eine der überwachten Personen im Ausland befinden muss.

Hintertüren

Softwarefirmen können künftig aufgefordert werden, bei der Umgehung von Verschlüsselung zu helfen. Die Regierung kann Firmen auch dazu bringen, sie über zukünftige Veränderungen zu informieren. Das soll es ihr ermöglichen, ihre Anforderungen an die Firma anzupassen.[6]

Mehr Überwachung, weniger Informationssicherheit

Die englische Gesetzesänderung wirft Fragen zur Zukunft von Verschlüsselung im Vereinigten Königreich auf. Es zeichnet sich ein internationaler Trend zur Ausweitung der Überwachung durch Geheimdienste auf. Besser gesagt: Man will den Geheimdiensten aus rechtlicher Sicht eine solide Grundlage für das geben, was sie ohnehin bereits tun. Auch das deutsche BND-Gesetz schlägt in diese Kerbe. Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet das umso mehr, dass der Schutz der eigenen Daten eine hohe Priorität genießen muss. Diese Richtung wird durch die EU-Datenschutzgrundverordnung vorgegeben. Daher stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit die Grundsätze dieser unterschiedlichen Gesetze nicht nur rein rechtlich, sondern auch moralisch vereinbar sind. Auch wenn Großbritannien den Austritt aus der EU vollzieht, so haben sie sich der EU-Datenschutzgrundverordnung zu unterziehen, wenn sie den europäischen Binnenmarkt weiterhin nutzen möchten.

[1] https://netzpolitik.org/2016/eines-der-extremsten-ueberwachungsgesetze-das-je-in-einer-demokratie-verabschiedet-wurde/

[2] https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/473740/Factsheet-Targeted_Equipment_Interference.pdf

[3] https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/473748/Factsheet-CD_Request_Filter.pdf

[4] https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/473745/Factsheet-Internet_Connection_Records.pdf

[5] https://netzpolitik.org/2016/analyse-london-segnet-haertestes-ueberwachungsgesetz-einer-demokratie-ab/

[6] http://www.bbc.co.uk/news/uk-34713435

Autoren: Philipp Rieblinger, René Breuer